Marqués de Murrieta

Adel verpflichtet

 

Der Marqués de Murrieta war von der Stunde null der Rioja an dabei. Umso gespannter war ich, seine gesamte Weinpalette verkosten zu dürfen. Angefangen haben wir mit dem weißen 2018er Pazo Barrantes: Der Wein wird von einer klaren Dönnhoff-Stilistik dominiert – frisch, viel Apfel, etwas Birne, fokussiert, dann darüberhinausgehend etwas Kirchenwachs, schon in der Nase viel Säure, ein ganz leichter Honigtouch, zarte Rauchigkeit, saurer Pfirsich. Im Mund ist der Wein dann durchaus burgundisch, um dann wieder seine Rieslingaffinität zu zeigen. Als zweiten Weißen verkosteten wir den 2016er La Comtesse, ebenfalls von Pazo Barrantes: Man vernimmt grünen Spargel, der Wein ist sehr rauchig, dezentes Buchenholz kommt durch – das ist ein Wein mit Charakter, feinste Bourbonvanille, immer noch relativ verschlossen, dabei immer mineralisch, das ist pures Burgund! Dann kommt zarte Cranberry durch, auch zarte, frische Traube, auch etwas Maracuja. Dabei ist der Wein sehr geradeaus, bekommt Muskatnoten, zeigt sich ganz leicht animalisch – das ist nun ganz die Stilistik des jungen Friedrich Keller vom Kaiserstuhl! Richtig ernst wird es mit dem 2014er Capellanía: Er ist zwar vom Holz dominiert, bleibt aber trotzdem balanciert, ist absolut burgundisch, die Nase ist tief, der Wein macht Julian Huber Konkurrenz. Zimt lässt sich ganz tief im Glas erahnen, Mürbeteig, auch viel Mineralität, leichte (etwas saure) Mirabelle, frischer Toast – auch im Mund setzt sich die tolle Balance fort. Zum Verschnaufen dann einen Rosé, aber einen mit Charakter: Der 2018er Primer Rosé, ein reinsortiger Mazuelo, duftet nach Rosenblüten, aber nur ganz zart, etwas Kirschlorbeer, Ringelblume, zeigt sich sehr vegetal, aber im positiven Sinne. Es kommt ganz zarte Pflaume durch, es ist dies ein sehr graziler, fast fragiler Wein mit guter Säure im Mund. Dann kamen die Roten: Als Everybody’s Darling die 2015er Reserva, meistverkaufter Wein der Bodega – Sauerkirsche, verbranntes Fleisch, auch Amarenakirsche, überraschend modern, zeigt etwas Mürbeteig und Bitterschokolade. Zuerst ist der Wein etwas zu einfach gestrickt, etwas zu sehr Mainstream, dann öffnet er sich: Blaubeere, etwas Pflaume, im Mund mit zupackender Säure, wird er mit der Zeit vanilliger. Eine Stufe darüber steht der 2012er Gran Reserva, im deutschen Handel schwer zu bekommen; die Nase ist tief, wir haben es mit einem sehr potenten Wein zu tun, sehr maskulin-kräftig, der braucht Zeit, das Holz wirkt strukturiert, es kommt der für dieses Weingut anscheinend obligatorische Mürbeteig, Vollmilchschokolade, etwas Sardelle (!). Dieser Wein ist so komplex, so kompakt, immer burgundischer werdend, immer mehr Richtung Pilze gehend – man hört ihn praktisch atmen. Modern vinifiziert ist der 2014er Dalmau: Eukalyptus, etwas grün, die Cabernet Sauvignon verratend, dann aber Backpflaume, insgesamt überraschend frisch, wieder Mürbeteig, im Mund weich, nachverlangend; leider verliert sich der Wein mit der Zeit. Ein würdevoller Abgang war der 2009er Castillo Ygay, einer der Iconweine der Rioja: Die Farbe ist tief, der Wein nimmt einen sofort ein – schwarzer Pfeffer, rote Johannisbeere, Rosmarin, ein irre komplexer Wein, das ist eine andere Liga, das ist sehr fein. Die Aromen kommen einem entgegengeflogen, wenn auch dosiert: Blaubeere, Kirsche, Rittersport-Rum-Schokolade, tolle Kräutrigkeit, wieder Eukalyptus, ganz leicht speckig, Pflaume, ich kann mich nicht satt riechen! Die Balance ist einfach toll, wie man es von großen Weinen erwartet, diese hohe Intensität ist beachtlich, zum Schluss kommen auch Veilchen und Blaubeere in massiver Form durch. Die Fallhöhe des großen Namens war bei diesem Weingut groß, doch die Weine, auch die vermeintlich einfachen, lösten dies mehr als ein.